Rolf Radochla "Ein Spaziergang durch Sauo"

Es ist Sommer 2001. Der Ostwind weht vom altenTagebau herüber und nimmt die Reste jeglicher Feuchtigkeit aus dem sandigen Boden. Kippengras- und Krautstengel auf der südlich davor gelagerten Ebene sind schon lange vorzeitig vertrocknet. Unterhalb jenes, inzwischen mit jungen Birken bedeckten Tonhügels inmitten der Kippe, welche der Tagebau Meuro als Zeugnis seines Wirkens im sogenannten Hauptfeld hinterließ, befand sich das Dorf Sauo.

Etwa in der Mitte, auf der Linie zwischen den ehemaligen Brikettfabriken "Meurostolln" und "Sonne" gelegen, war das Schicksal des Dorfes 1971/1972 entschieden.

Die Schule, das Gasthaus, die noch relativ junge, knapp 40 Jahre alte Kirche, das Gemeindebüro, das Feuerwehrdepot, der Sportplatz der "BSG Aktivist", zu Mietwohnungen umfunktionierte Bauerngehöfte, die Siedlungshäuser, Bäckerei, Fleischer, "Konsum" und Post - alles, was zu einem ordentlich funktionierenden Dorf gehört - nahm den Weg über Kippwagons oder die Bandanlagen des Tagebau Vorschnitts zu einer anderen geografischen Position, zur ewigen Ablagerung im chaotischen Durcheinander seiner Bestandteile und als Puzzle-Aufgabe für die fünfzigste nachfolgende Archäologengeneration.

Sauo-Spaziergang CD

Jenes Chaos kann sich nicht mehr entwirren. Jene Gebäude, die - von den Bewohner belebt - Sauo ausmachten, wie mit einem Zauberstab aus dem heute dürren Kippenboden neu erwachsen lassen?. Wozu? Längst leben Sauoer in der Diaspora, haben sich mehr oder weniger gut eingerichtet, zumeist in den Städten und Dörfern der Umgebung. Für etliche war es auch ein Fortschritt in den Wohnverhältnissen. Andere fanden inzwischen ihre Ruhe auf den Friedhöfen der neuen Heimat.

Da seit 1971 auch keine Sauoer mehr haben dazu kommen können, folgt das Aussterben der dort Geborenen Jahr für Jahr dem Dorfe.

1.000 Jahre wird das Dorf wohl bestanden haben - gegründet von den slawischen Lusizern, die sich von ihren Ansitzen im Spreebogen über die Jahrhunderte in Richtung Schwarze Elster ausdehnten. Möglicherweise um 900/1000 am Nordhang der Raunoer Hochfläche hatten sie dies anheimelnde Plätzchen zum Siedeln auserkoren.
Obwohl die ersten Sauoer die griechiche Stadt Athen weder kannten, noch von dieser wussten, kam es zu Gemeinsamkeiten. Das Wahrzeichen von Athen ist die sprichwörtliche Eule, die man nicht dorthin zu tragen braucht. Nach Sauo aber auch nicht, denn es muss diese Tiere dort schon gegeben haben. Die Lusizer nannten die Siedlung "Sowjo", einen Ort, an dem es Eulen gibt".
Als Sauo deutsch wurde, waren jene Eulen wohl verschwunden. Das Siegel des Dorfgerichts ebenso wie das Wappen am Giebel des in den 30-er Jahren des 20. Jahrhunderts neu erbauten Gemeindehauses schmückte eine Sau - heute im Senftenberger Schlossmuseum ausgestellt.
Die Kenntnis von der ursprünglichen Bedeutung des Namens war verloren gegangen - oder schämte man sich des slawischen Ursprungs?
In den Türkensteuerlisten von 1474 gab es erstmals eine schriftliche Notiz des Dorfnamens in den behördlichen Akten und bliebt dann als "Sow", "Sawa", "Saw" "Sawe", "Saue" und schließlich "Sauo" in Verwaltungsdokumenten präsent.
Das Bauerndorf mit 12 Hüfnern einem Lehmann und einem Richter hat sich danach vier Jahrhunderte lang äußerlich kaum verändert. Die dortigen Bauern, als Untertanen des Senftenberger St. Andreas-Altars und somit unter die Amtshoheit von Senftenberg gestellt, hatten es gewiss leichter - in der Regel - als ihre rittergutshörigen Kollegen an anderen Orten der Lausitz.
Mit dem Beginn der Braunkohlengewinnung im Senftenberg Revier im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, kam es in dem Dorf Sauo, dass in ummittelbarer Umgebung der Hochflächen mit dem zuerst abgebauten ersten Kohlenflözhori-zont lag , zu sprunghaften Veränderungen.
Die ehemaligen Sauoer Land- und Hofbesitzer, jetzt von den feudalen Fesseln befreit auch Eigentümer ihrer Parzellen, verkauften die Abbaurechte an der Kohle unter ihren Äckern, Wiesen und Wäldern, oft auch Haus und Hof, den Bergbauunternehmen, die um Sauo tätig waren - u.a. den Senftenberger später Nieder-lausitzer Kohlenwerken (NKW) Schöppenthau und Wolf, Gewerkschaft Germania, Hallische Pfännerschaft, Anhaltinische Kohlenwerken (AKW), der Ilse Bergbau AG und andere kleine Unternehmen.
Sauo Türkensteuerliste 1474
Sauo in der Türkensteuerliste 1474
Historische Bauszeichnung Grdstk Wolschke

Das Dorf wandelte sich innerhalb von 20-30 Jahren vom Bauerndorf zum Industriearbeiterort.

Die Einwohnerzahlen schnellten bis 1925 auf knapp1500 Personen im rasanten Tempo nach oben. Angelockt wurden die Menschen von den Arbeitsmöglichkeiten in der Stadtgrube Senftenberg und den Gruben Meurostolln, später von Friedrich-Ernst und Elisabethglück im Süden, Bertha im Osten, Weidmannsglück und schließlich Marie III im Norden von Sauo.
Mit den zuziehenden Bergarbeiter entwickelte sich ein "multikul-turelles" Einwohnergemisch von einheimischen Lausitzern, Deutschen und Polen aus Oberschlesien. Wohnungsneubau und Zweckbauten sprengten das Gebiet des alten Dorfkerns. Mehrere Gasthäuser, eine neue große Schule, ein Feuerwehrdepot, ein neuer Friedhof, Siedlungshäuser und Unterkunftsbaracken, Kirche und Gemeindebüro entstanden. Bäcker, Fleischer und Lebensmittelhändler siedelten sich mehrfach an - so u.a. auch ein Laden der Konsumgenossenschaft der 20er Jahre.

Der Höhepunkt seiner Aufblähung erreichte das Dorf mit dem Aufschluß und dem Betrieb der Grube und Brikettfabrik Marie III der Anhaltinischen kohlenwerke AG, die sich auf Sauoer Gemarkung befand. Nach Schließung und Abriss der Anlagen dieser Grube zogen nicht wenige Bergleute der Arbeit nach von Sauo weg.

In den 50er und 60er behielt Sauo seinen Charakter als Bergarbeiterdorf. Der Einwohnerschwund ward zunächst durch kriegsbedingt hinzukommende Ostaussiedler aufgehalten, aber nicht gestoppt worden.
Als ob die Gemeinde sich gegen ihr Schicksal währte, kam es gerade in dieser Zeit zu einer neuen Blüte des Dorflebens, zu vielfältigen kulturellen, sportlichen Aktivitäten und entwickelten Gemeinschaftsleben seiner Bewohner bis hin zu den vier Dorffestspielen in den 60er Jahren.

Panorama Siedlung 1970

Die Messen sind gelesen. Was vorbei ist, ist vorbei. Was abgeschnitten, ist abgeschnitten. Was getan, ist getan. Der Krug geht solange zu Wasser, bis er bricht - der Krug "Sauo" ist gebrochen.

Der Lehrer, Schuldirektor und zeitweilige Ortsvorsteher Lettner schrieb schon in den zwanziger Jahren prophetisch in der Schul- und Dorfchronik etwa so die Perspektive: Sauo ist durch die Kohle ringsumher aufgeblüht und wird durch die Kohle untergehen. Der Bergbau nahm nun den dritten Lausitzer Kohleflöz in Angriff - da konnte man um Sauo keinen Bogen mehr machen.

Mit der im Wettbewerbsbeitrag auch dargestellten "Bekanntmachung" wurde die Abbaggerung von Sauo zur Gewissheit.

Eine Liste der Einwohner von etwa 1970 befindet sich ebenfalls auf der CD.

Der Wettbewerbsbeitrag "Ein Spaziergang durch Sauo" ist eine Präsentation unter Benutzung des Computerprogramms Microsoft Power Point 97. Mit dem auf der CD enthaltenen Viewer kann die Präsentation auch ohne MS Power- Point gestartet werden.

Nach der Einführungsbilder-Serie gelangt man zu einer Karte des Dorfes, von der die Bilderserie eines gewählten Straßenzuges und Ortsteils angesteuert werden kann, an dessen Ende wiederum die Navigationskarte erscheint.

Für den Aufbau der Präsentationsbilder wurden im wesentlichen Amateurdias von den 1969/1970 noch erhaltene Gebäuden als Gerüst benutzt. Diese zeigen, damals von mir lediglich für private Zwecke aufgenommen und gedacht, nur Gebäude und diese noch dazu im Wintersonnenschein, also bei komplizierten und nicht immer bewältigten Lichtverhältnissen. Deshalb war es notwendig, zusätzlich auf Menschenabbildungen, ältere Aufnahmen sowie Postkarten ergänzend zurückzugreifen. Ausschnitte aus Bauantragszeichnungen der dargestellten Bauten komplettieren die Bilder.

Auf Kommentare wurde weitestgehend und auf Ton ganz verzichtet. Dies bleibt einer künftigen Überarbeitung und Ergänzung dieser Präsentation vorbehalten

Navigationsseite der Präsantation auf der CD

Navigationsseite für die Präsentation des "Spazierganges
durch Sauo" auf der bestellbaren CD

Titel: 150 Jahre..., Hrg: IBA Großräschen

Der Text wurde veröffentlicht in der Publikation "150 Jahre arbeitsreiches Leben in der Lausitz - Gras drüber?", die im Ergebnis des gleichbetitelten Laienhistorikerwettbewerbs (2001) von der Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land 2004 herausgegeben wurde. Die Bildschirmpräsentation "Ein Spaziergang durch Sauo" wurde von Rolf Radochla als Wettbewerbsbeitrag eingereicht und wurde von Jury mit einem Hauptpreis des Wettbewerbs bedacht.

Einen Textbetrag zum Wettbewerb reichte Erika Janßen aus Sauo, heute in Senftenberg, unter dem Titel ein: "Was war vor dem Lausitzring". Es handelt sich dabei um eine autobiographische Erzählung. Die Jury verlieh dem Beitrag von Frau Janßen einen Sonderpreis.

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